Samstag, 24. Oktober 2009

Die Geschichte von der verlorenen Tochter

Viele Jahre war sie fort, dann kam sie zurück.
Die Mutter sah sie schon von fern, ihr Herz pochte vor Glück.
Oh, was war die Freude groß, als sie ihr entgegenlief.
Die Verwahrlosung, die sah sie nicht und roch auch nicht den Mief.
Der Tochter, ja, peinlich berührt, war gar nicht behaglich,
doch alles an der Mutter sprach nichts anderes als „Ich mag dich!“.
So fielen sie sich in die Arme, Tränen flossen reichlich.
Die Tochter, die da Schmach empfand, gerad’ noch gedacht: „Nun beicht’ ich!“,
war so überrascht von diesem herzlichen Empfang,
dass sie nichts als nur Liebe sah, wo Zweifel war so lang.

Zum Fest wurd’ aufgerufen, sie konnt’ es kaum begreifen,
ein Bad erhielt sie noch zuvor mit wohlriechenden Seifen.
Köstlichkeiten gab’s zuhauf, es roch ganz wunderbar,
und getanzt wurde, sie konnt’ nur staunen bei dem, was sie da sah.

Zu später Stunde dann, Ruhe ward eingekehrt,
kam die Frage von der Mutter, wovon sie sei beschwert.
Da floss es schließlich aus ihr raus, all das viele Leid,
und was hatte sie bedrückt, entlud sich himmelweit.
„Oh Mutter!“ seufzte sie erleichtert, „was waren das für Tage?
Ich war am Boden ganz zerstört, war nicht mehr in der Lage
mein Leben länger durchzustehen, war total am Ende,
nur noch Hoffnung trieb mich an, dass komme eine Wende.
Doch nur schlimmer schien’s zu werden, es war so wie ein Fluch,
ich stöberte im tiefen Dreck, wollt’ finden wonach ich such’,
obwohl ich es nur ahnen konnte, was das eigentlich war,
ich spürte nur, da fehlte was, doch was, war mir nicht klar!

So zog ich weiter, immer weiter, verzweifelt mehr und mehr,
ich sehnte mich, es loszulassen, was ward mir längst zu schwer,
und konnt’ es nicht, da war die Furcht vor dem, was dann
mit dem, was ich glaubte zu sein, Schlimmes passieren kann.
Das war ein Kampf, tagein, tagaus, schier ums Überleben,
denn Sterben, nein, das wollt’ ich nicht, ich konnt’ mich nicht hingeben.
Erst als die Kraft mich ganz verließ, mir zitterten die Glieder,
stöhnte ich ein letztes Mal, und es warf mich nieder.
Ich glaubte nun, mein Körper starr, dass der Tod sei nah,
doch wie ich da am Boden lag, mich fragte, was geschah,
da flossen Tränen nur, die spülten all mein Wollen fort,
und nur eines war mir klar, ich war am richtigen Ort.

Ich fühlte mich so oft im Leben ängstlich und beklemmt,
und nicht selten kam’s mir vor, in dieser Welt, da bin ich fremd.
Oh, dieser Schmerz, der ließ mich dürsten nach ein bisschen Glück,
so nahm ich, was ich kriegen konnte, probierte Stück für Stück,
wurde süchtig mehr und mehr, kriegte nie genug,
war bereit für etwas Wonne sogar zum Betrug.

Ich wehrte mich, oh, wie heftig, der Befürchtung zu entgehen,
dass ich eines Tages, oh wie schrecklich, vor dem Nichts würd’ stehen.
Den Gedanken konnt’ ich nicht ertragen, er trieb mich immer weiter.
‚Oh, was kommt, wenn ich erreich’ die letzte Sprosse der Leiter?’
so fragte ich mich so manches Mal im Schweiße meines Angesichts,
konnte ich ihm überhaupt entfliehen, dem unscheinbaren Nichts?
‚Oh Nein!’ schrie ich und stürzte mich in die große Sause
bis ich war enttäuscht gar bitterlich, da wollt’ ich nur nach Hause.
Oh Mutter! Wie ich da im Schmutze lag, da bereute ich mein Handeln,
ich fragte mich: ‚Kannst du verzeihen und meine Schuld verwandeln?’ “

Mit diesen Worten brach sie ab, bebte am ganzen Körper,
der Schmerz in ihr, der war so groß, er fand nun kaum noch Wörter!
Der Mutter rannen bei dem Anblick Tränen aus den Augen,
die Last der Tochter, die da glaubte, zu nichts würde sie taugen,
die nahm sie nun von ihr hinfort, indem sie sprach die Worte:
„Geliebte Tochter, dich quält, du seiest von der üblen Sorte,
doch glaube nicht, ich sei dein Richter, der dich nun verbannt,
weil du fehlgehandelt hast, da hast du was verkannt.
Was du tatst, musste geschehen, da gibt’s nichts dran zu rütteln,
ein Baum, er trägt nur seine Frucht, wie sehr wir ihn auch schütteln.
Komm, mein Schatz, lass dich umarmen, dass du heimgefunden hast
und stell sie vor mich, mir zur Freude, deine schwere Last.

Das Nichts, das brauchst du nicht zu fürchten, wenn du weißt, es ist
die Liebe, die du spürst im Herzen und die dich nie vergisst.
Sie ist bei dir in dunklen Nächten so wie an heiteren Tagen,
sie schenkt dir den Grund zur Freude und auch den zum Klagen,
nur sie kann allem geben Leben, ohne sie ist alles nicht(s),
drum lässt sie sich in allem sehen, auch wenn das Herz zerbricht.
Die Liebe, oh, sie kann nicht sein ohne dass sie weiß,
was sie nicht ist, spürst du es? Das ist ihr Wert, ihr Preis!
Sie zahlt ihn gern, das ist ihr Spiel, weil sie so gern liebt,
und daher ist sie sogar froh auch wenn sie ist betrübt!

Ich musste dich einst ziehen lassen und das Herz, es ward mir schwer.
Es fällt nie leicht, das zu verlieren, was man liebt so sehr.
Doch die Liebe ist so groß, sie kann selbst das zulassen,
auch wenn ein Veto meist erscheint, weil der Kopf kann es nicht fassen.
In all den Jahren, nachdem du gingst, warst du stets bei mir,
ich gedachte deiner an jedem Tag und spürte, du bist hier.
Ich wusste um die Richtigkeit von allem, was passiert,
ein Trost war es zu wissen, dass jeder Weg nach Hause führt.
Ob ich es erleben würde, das war mir nicht klar,
doch jenseits dessen, was zu sein wir scheinen, warst du längst schon da.
Dort, wo die Ewigkeit ihr Netz erstreckt, fern von Raum und Zeit,
sind wir immerzu verbündet in der Einigkeit.

Ach, lass uns menschlich sein auf Erden, lass uns nicht abschweifen,
was kümmert uns, woher wir kommen und ob und wie wir reifen?
Ein guter Wein braucht seine Jahre bis man ihn genießt,
dann geschieht’s an einem Tag, dass er durch Münder fließt.
Und was bleibt am End’ von ihm zurück? Nichts! Doch da war Genuss!
Es gedeiht ein Mensch sein Leben lang, aber nicht weil er groß sein muss!
Doch genug, ich bin so froh, dich bei mir zu sehen,
dass du nach Hause fandst, mein Kind, das lässt mein Herz aufgehen.
Lass uns feiern, weil wir lieben, was einst gar schien verloren,
doch was auch immer da geschah, es blieb ungeschoren.
Das Herz am Boden gar zerstört, doch dann hebt sich der Schleier
und es zeigt sich, Liebe ist unzerstörbar, welch ein Grund zur Feier!

„Aber Mutter, siehe meine Schwester, sie sieht mich an ganz grimmig,
und sag, hat sie nicht recht, wenn sie sich fühlt unstimmig?“
„Oh ja, sehr wohl hat sie das Recht, da bin ich deiner Meinung,
noch kann sie sehen nicht, warum, aufgrund deiner Erscheinung
wir feiern hier dies’ große Fest, wo sie so artig war
ihr Leben lang, ganz vorbildlich, immer für mich da.
Wir alle sehen, du warst verirrt, doch schau, da ist ein Vorteil,
den man nur im Herzen spürt, das nun lacht, ja, weil
deine Rückkehr wir erleben, die nur möglich ist,
da du einst vor langer Zeit fort gegangen bist.
So wie du warst verwirrt im Glauben in all diesen Jahren,
so ging’s nicht anders deiner Schwester, das ist’s, was wir nun hier erfahren.
Oh, sei auch du zu Haus willkommen, die du stets mir treu geblieben,
dein Zorn, der rührt nur her vom Glauben, ich könnte dich nur deshalb lieben.
Wirf ihn fort und sei dir sicher, du kannst niemals ein solches tun,
das die Liebe wird erschüttern, sie wird auf ewig in mir ruh’n.
Kommt, macht mit, weil alles sich immer nur um Liebe dreht,
und lasst uns freudig das genießen, was nun im Herzen vor sich geht.
Seht her, ihr wart verloren für eine kleine Ewigkeit,
umso größer nun die Freude, dass am End’ ihr beide wieder mit mir seid.“

1 Kommentar:

  1. ich habe geweint beim lesen,habe ich mich doch auch darin wieder gefunden..wie auch nicht ;)
    Danke das ich das lesen durfte

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